Frankenhain nach 1945 – Eine neue Zeit beginnt

 Geflüchtet und Vertrieben – Umbruch und Neubeginn 

Nach dem II. Weltkrieg sah Europa anders aus. Viele Menschen hat der Krieg aus der gewohnten Heimat, aber alle aus dem gewohnten Leben gerissen. Einiges soll hier aus Frankenhain -stellvertretend für viele – aufgezeichnet sein; zur Erinnerung – aber auch zum weiteren Bedenken.

Geflüchtet sind sie vor der Front und nach großen Strapazen aus den schlesischen und ostpreußischen Gebieten jenseits von Oder und Neiße hier angekommen. Meist zu Fuß oder per Fahrrad. Wer mehr Glück und auch Vorbereitungszeit gehabt hatte, konnte wenigstens das Gepäck auf einem Wagen oder Karren mitnehmen.

Für viele waren andere Ziele weiter im Westen vorgesehen. Mit Kriegsende hatte auch die Weiterwanderung der Flüchtlingstrecks ein Ende, und so blieb man, wo man war.

Diese Situation war eine Herausforderung an die geflohenen Menschen, die man sich als Nachgeborener gar nicht vorstellen kann. Menschen, am Ende ihrer Kräfte mit den erlittenen, oft schrecklichsten Erinnerungen, wie unterwegs verlorene Angehörige und vieles mehr. Keine Zukunft vor sich sehend und auf andere Menschen treffend, die sich, von dem Ansturm überwältigt, am Ende der Aufnahmefähigkeit sah. In den Gesprächen mit Zeitgenossen ist zu erfahren, wie viele Menschen in den zur Verfügung stehenden Räumen zusammenleben mussten. Die Neuankömmlinge und die Einheimischen mussten sich natürlich auch erst aneinander gewöhnen, unterschiedlichste Dialekte und Mentalitäten trafen unmittelbar aufeinander.

Und da war für alle die ungewisse Zukunft. Wird man wieder nach Hause können? – und: Wie lange werden „die“ bleiben?

Für die Einwohner von Schlenz in Schlesien erging am 20.1.1945 früh 8.00 Uhr die Aufforderung zu packen – 24.00 Uhr ging es los. In 14 Tagen geht’s zurück, hat es geheißen. Als Zielorte für die Schlenzer waren Frauendorf, Hopfgarten und Frankenhain zugewiesen.

Am 13. / 14. Februar war man in Richtung Dresden zu unterwegs, dann hieß es: Dresden ist voll und kann keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Man musste also ca. 7 km von Dresden entfernt übernachten. Welch ein Glück, dass es so gekommen war, denn in dieser Nacht wurde Dresden bombardiert. Von ferne konnte man das Inferno mit ansehen…

Am 25. Februar kamen die Schlenzer hier an und wurden aufgeteilt.

Aus den 14 Tagen sind inzwischen Jahrzehnte, fast ein ganzes Menschenleben, geworden und neue Existenzen wurden aufgebaut.

Vertrieben

wurden deutsche Familien aus ihrer Heimat und kamen in den späteren Jahren aus Schlesien noch nach. Sie waren von der Front überrollt worden, konnten oder wollten nicht gehen. Vielen ist es schlecht ergangen in dieser Zeit, sie haben für das oft knappe Brot schwer gearbeitet und hofften immer auf bessere Zeiten.

Dann kam plötzlich über Nacht die Ausweisung und kein Deutscher durfte mehr bleiben. In Waggons wurden sie verfrachtet und in Lagern waren sie interniert, bis sie dann hier landeten.

Viele Ungarn-Deutsche kamen von noch weiter weg – aus Tevel in Ungarn (Südtransdanubien). Auch hier war es keine Flucht – es war Vertreibung durch Tschechen und Rumänen.

Allein aus Tevel kamen 81 Personen und aus anderen Dörfern noch 9 Personen dazu, also 90 Personen aus Ungarn kamen in Frankenhain an. Alle wurden provisorisch auf dem Saal des Gasthofs Meißner in Oberfrankenhain untergebracht, ehe man sie dann auf die Gehöfte und Häuser aufteilte.

Vor allem haben die Älteren unter dem Verlust der Heimat gelitten und konnten sich nicht damit abfinden. Es gab nur ein Thema: Wie und wann kommen wir wieder nach Hause? Für die Menschen aus den katholischen Gebieten kam dazu, dass hier alle evangelisch waren, so dass man sich nicht nur körperlich, sondern auch innerlich verlassen und heimatlos fühlte. 1949 hatte man es dann geschafft, eine alte Baracke in Tautenhain als katholische Kapelle neu einzurichten und somit ein Stück Heimat hier in der Fremde zu schaffen.

Die Kinder gingen hier zur Schule und hatten viele Sprachprobleme, denn in Ungarn wurde nur noch im Elternhaus deutsch gesprochen. Einige waren nur kurz hier und gingen dann in andere Gegenden oder versuchten, wieder nach Ungarn zu kommen, was nur Wenigen gelang.

Jetzt leben in Frankenhain keine Vertriebene aus Ungarn mehr, aber in der Umgebung kennen wir noch einige Leute aus dieser Zeit und auch deren Nachkommen.

frankenhain
Gasthof Meißner in den 40iger/50iger Jahren

Wie das Dorfleben dann weiter ging

Am 30.08.1950 erfolgt die Befragung der Einwohner wegen der Zusammenlegung der beiden Orte durch Unterschriftenaktion. Ergebnis: Für den Zusammenschluss stimmten 351, gegen den Zusammenschluss stimmten 153 Einwohner Es erfolgte daraufhin der Zusammenschluss von Ober- und Niederfrankenhain zu Frankenhain.

1953: Das verbliebene Inventar von republikflüchtigen Bürgern wird an Fürsorgeempfänger verteilt.

1956: Bau des Sportplatzes in Niederfrankenhain und Erneuerung der Dorfstraße in Niederfrankenhain.

1964 erfolgte der Beschluss zum Anschluss von Frankenhain an die öffentliche Wasserversorgung.

1966 kam es dann endlich zum notwendig gewordenen Neubau einer Totenhalle.


Mitte bis Ende der 1960er Jahre dürfen keine BRD-Bürger aus Maul – und Klauenseuchengebieten in die DDR, so auch nicht nach Frankenhain, einreisen.

Die vor 1930 in Oberfrankenhain errichte zentrale Wasserversorgung wurde 1957 rekonstruiert. Jedoch wird die Trinkwasserqualität immer schlechter. Am 12. November 1968 stellt die Fachabteilung des Rates des Kreises fest, dass das Trinkwasser in Niederfrankenhain “wie vergorener Rotwein aussieht … unappetitlich ist … und sich zur häuslichen Nutzung schädigend auswirkt”.

Die Verrohrung der Frankenhainer Bach (in der Fränker Umgangssprache heißt es nicht ‘der Bach’ sondern ‘die Bach’) 1969/70 verursachte eine enorme Absenkung der Wasserstände in den Niederfrankenhainer Brunnen. Fast kommt es zu einem Wassernotstand in Niederfrankenhain. Wasserwagen werden vorübergehend zur Versorgung der Einwohner bereitgestellt und sollen das Schlimmste verhüten.


Aufzählung der ständigen Leichenträger im Jahre 1972:

Gasch, Otto

Neubert, Martin Neubauer,

Willi Bauer,

Albert Polster,

Fritz Franke,

Adolf Fritzsche,

Willy Nagel, Fritz Tiroke,

Max Reinsch,

Georg Barth,

Walter Schenkel, Arno

In den 60er und 70er Jahren sind diese Männer auch immer wieder vorn mit dabei, wenn es darum geht, im Ort bei allen möglichen Arbeiten mit Hand anzulegen. Dabei wird oft auch Oskar Aurich, Max Krasselt, Friedrich Thomas, Erich Kreher und andere genannt.

Die Sparte der Kleingärtner Frankenhain bittet um Erlass der Vergnügungssteuer für die öffentliche Tanzveranstaltung am 10. März 1972.

Am Montag, den 4.9.1972 zieht die Gemeindeschwesternstation um, während Gemeindeschwester Christa Bethke Urlaub hat. Ab dem 6.9.1972 werden mittwochs 13.30 Uhr Sprechstunden abgehalten.

1976 zieht Schwester Christa Bethke in die neue Gemeindeschwesternstation im KAI-Gebäude an der Geithainer Straße ein.


Die alte Schwesternstation bis 1972
Die neue Gemeindeschwesternstation im KAI-Gebäude an der Geithainer Straße

1973 wird die neue Wasserleitung Prießnitz-Frankenhain-Frauendorf gebaut. Niederfrankenhain kann an das zentrale Wassernetz angeschlossen werden. Die Verbindungsstraße zwischen Niederfrankenhain und der Straße nach Hopfgarten wird gebaut.  Ulrich Dietze wird “Bester Busfahrer” in einer LVZ-Umfrage.

1974 findet das 1. Betriebs-, Sport und Dorffest in Frankenhain statt. Der VEB Karosserieinstandsetzung, die LPG Prießnitz, die LPG Prießnitz und der VEB Meliorationsbau Tautenhain sind die maßgeblichen Veranstalter. Große Verdienste kommen hier dem damaligen Direktor der KAI, Gerhart Haferkorn und Bürgermeister Ernst Augustin zu. Insbesondere sei die Schaffung des Reitplatzes, des Kampfrichterturmes, der Freilichtbühne und der Kegelbahn erwähnt.

Am 1. April 1976 beginnt der Abriss des “Spittel” in Oberfrankenhain durch die Jugendbrigade der KAI.

Eröffnung 1977
Zur Eröffnung 1977

1977: Am 1. Oktober von 7.00 bis 10.00 Uhr berichtet Radio DDR in einer Direktübertragung aus Frankenhain. In diesem Jahr wurde das “Mehrzweckgebäude” mit Konsum, Arztstation, Friseur, Poststelle und einer “komplexen Dienstleistungs-Annahmestelle” fertiggestellt. Dienstags von 14-16 Uhr hält Frau Dr. Monika Tillmann aus Geithain Sprechstunde, unterstützt von Gemeindeschwester Christa Bethke.

Konsum mit Wursttheke
Friseur
Reinigungsannahmestelle
Poststelle

Und Großes hatte man noch vor: “70 Eigenheime sollen bis 1980 schlüsselfertig übergeben werden, keiner baut für sich allein…”, so berichtet die LVZ damals. Etwas anders ist dann allerdings doch gekommen. Ende der 1970iger Jahre gründeten die Betriebe KAI Frankenhain, VEB Meliorationsbau Tautenhain, die LPG Tierproduktion Prießnitz und die LPG Pflanzenproduktion Prießnitz eine Interessengemeinschaft zum Bau von etlichen Eigenheimen zwischen Ober- und Niederfrankenhain. Hier sollten Beschäftigte in diesen Betrieben, vornehmlich junge Familien, sich ein neues modernes Zuhause schaffen können.

1982 bezieht zum Beispiel Familie Dathe ihr neues Haus in der Rosensiedlung, das 550. Eigenheim im Kreis. Diese Baumaßnahme war derzeit die größte Baustelle im Dorf. Mit viel Fleiß, Improvisation und gegenseitiger Hilfe trugen die meist zugezogenen jungen Frankenhainer zu einem spürbaren Aufschwung auf allen Gebieten im Dorf bei.

1978 veranstaltet das Kreiskulturhaus Geithain am 26. 8. beim Frankenhainer Betriebs- und Sportfest ein buntes Programm “Frankenhainer Bauernmarkt” mit “prominenten Künstlern” für ein Honorar von 4.000,- Mark. Bei Nichterreichen der geplanten Einnahmen bzw. Schlechtwetter hat der Rat der Gemeinde die entstehen den Kosten zu tragen, heißt es im Vertrag. In diesem Jahr wird der Gemeindeverband Bad Lausick gegründet, dem eine Stadt und zehn Gemeinden angehören, darunter auch Frankenhain.

Zirka dort, wo jetzt das Antennenhäuschen (neben der Freilichtbühne) steht, sollte im Jahre 1979 eine überdachte und unterkellerte Sitzfläche gebaut werden. Pläne, Zeichnungen, Berechnungen und die Kalkulation dazu waren bereits fertig gestellt. Genauso plante man in diesem Jahr den Bau einer Kinderkrippe mit 50 Plätzen. Hier konnte man sich allerdings nicht über einen Standort einigen. Aus beiden Bauvorhaben wurde letztlich allerdings nichts.


Ehemaliger Gasthof
Umgebaut zum Kulturhaus der KAI Frankenhain
Bis nach der Wende in Betrieb und Benutzung
Später wurde das Gebäude abgerissen.

Am 2. Oktober 1979 beschloss der Gemeinderat die Einführung von Straßennamen: Die Angaben A und B für die Ortsteile entfallen. Ganz Oberfrankenhain soll als Hauptstraße, ganz Niederfrankenhain als Dorfstraße bezeichnet werden. Die Eigenheime der Interessengemeinschaft werden Niederfrankenhain zugeordnet und erhalten die Hausnummern 39d-39q.

1980 finden wieder die DDR-Meisterschaften im Frauen-Straßen- Radrennsport in Frankenhain statt. Drei Jahre vorher kann Frankenhain für sich in Anspruch nehmen, den kuriosesten Zieleinlauf dieser Meisterschaften erlebt zu haben. Damals wurde der Zielstrich zu gleicher Zeit von zwei Richtungen her angesteuert…

1984 treten zum 10. Betriebs-, Sport und Dorffest unter anderem Michael Hansen und die Nancies auf, abends spielte “Staccato” und es gab ein Feuerwerk. Am Sonntagabend spielte die “Party-Band” aus Meuselwitz bis 23.00 Uhr nicht nur Musik aus dem Osten.


1992 werden diese Dorffeste, die durch den Zerfall des VEB KAI Frankenhain auch ausblieben, wieder ins Leben gerufen. Maßgeblich waren die SG „Olympia“ und die Feuerwehr des Ortes hier beteiligt.

Anfang der 1990er Jahre gründeten die Frankenhainer eine Verwaltungsgemeinschaft mit Tautenhain, 1994 kam es zur Gründung der Gemeinde Eulatal mit 7 Ortsteilen. Diese Großgemeinde ist nun auch schon wie der Geschichte – die ehemaligen Orte Eulatals sind jetzt als Ortsteile in die Stadt Frohburg eingemeindet. Es entstanden in den letzten Jahren viel neue Gebäude im Dorf, vornehmlich Eigenheime und gewerblich genutzte Bauten. Einige alte Bauerngüter wurden vollständig abgerissen, wie z.B. das Gut Liebing in Niederfrankenhain oder Graichens in Oberfrankenhain.

An ihrer Stelle stehen nun neue Gebäude oder es ist ein freier Platz entstanden, wie beim Gut Müller in Oberfranken, eines der ältesten Güter Frankenhains überhaupt.

Einige Güter und Häuser wurden aufwändig und liebevoll saniert, modernisiert oder auch restauriert. In den letzten Jahren hat sich das Dorfbild insgesamt erheblich verändert, an die Stelle der typischen Gehöfte treten immer mehr moderne Wohn und Gewerbebauten. Die alte Dorfstruktur verschwindet langsam. Hauptsächlich die landwirtschaftlichen Entwicklungen zeigen hier ihre deutlichen Spuren.

Trotz allem aber: Gut leben lässt es sich hier, in unserem Frankenhain – und das meinen nicht nur die alten und neuen Einheimischen.




Von wem allerdings das links abgebildete und viel verwendete Wappen von Frankenhain stammt und wann es entstanden ist, konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden…